Kinder- und Jugendmedienschutz mitmachen - merz 6/2021

Kinder- und Jugendmedienschutz mitmachen - merz 6/2021

von: Kathrin Demmler, Bernd Schorb,  JFF - Institut für Medienpädagogik (Hrsg.)

kopaed - merz / medien+ erziehung, 2021

ISBN: 9783961345083 , 97 Seiten

Format: PDF, OL

Windows PC,Mac OSX Apple iPad, Android Tablet PC's Online-Lesen für: Windows PC,Mac OSX,Linux

Preis: 7,99 EUR

Mehr zum Inhalt

Kinder- und Jugendmedienschutz mitmachen - merz 6/2021


 

KINDER- UND JUGENDMEDIENSCHUTZ MITMACHEN
EDITORIAL
Kathrin Demmler und Niels Brüggen

Schon länger wird im Kinder- und Jugendmedienschutz (KuJMS) auf Teilhabe gesetzt: Angefangen von der Beteiligung der Zivilgesellschaft in Gremien, über die Freiwilligen Selbstkontrollen bis hin zu Meldefunktionen für problematische Inhalte, bei denen eine aktive Mitwirkung der Nutzenden vorausgesetzt wird. Eltern und andere erwachsene Familienmitglieder, pädagogische Fachkräfte und Ehrenamtliche in der Jugendarbeit, Anbieter* innen und die Medienaufsicht sollen bzw. müssen mitmachen beim KuJMS. Aber wie steht es um die Teilhabe von Kindern und Jugendlichen? Sollen diese nur mitmachen in dem Sinne, dass sie die Regelungen beachten? Oder kann das partizipativer gedacht werden? Wir denken ja, und freuen uns über neuere Entwicklungen, die Kinderrechte ins Zentrum eines zeitgemäßen KuJMS stellen und mit dem Dreiklang von Schutz, Befähigung und Teilhabe neue Impulse in die Diskussion gebracht haben. Mit der Novellierung des Jugendschutzgesetzes steht die unbeschwerte Teilhabe von Kindern und Jugendlichen an digitaler Interaktion als Ziel von Schutz und Befähigung im Fokus. Die kinderrechtliche Grundlegung des KuJMS impliziert aber auch die Teilhabe von Kindern und Jugendlichen an der Ausgestaltung von Maßnahmen des Schutzes wie auch der Befähigung. Wie aber soll das gehen?

Es gilt Teilhabeformen in den Medien selbst (Meldemöglichkeiten etc.) ebenso zu betrachten, wie im unmittelbaren Lebensumfeld mit den Eltern und Sorgeberechtigten, der Kita und der Schule, ggf. dem Hort sowie außerschulischen, non-formalen Bildungsorten.

Über diese verschiedenen Umsetzungsbereiche hinaus gilt es auch Teilhabemöglichkeiten an der Weiterentwicklung des KuJMS und im Austausch zwischen den einschlägigen Akteur* innen zu betrachten. Jeweils ist zu reflektieren, wie Teilhabe bei der Ausgestaltung, Umsetzung und Weiterentwicklung von Maßnahmen des KuJMS realisiert werden kann. Herausfordernd ist, dass es um Phänomene geht, bei denen eine Beeinträchtigung der Entwicklung der Kinder und Jugendlichen angenommen werden muss. Damit sind jeweils entwicklungs- und altersspezifische wie auch soziale Voraussetzungen zu berücksichtigen.

Gerade der KuJMS muss immer diejenigen im Blick haben, die die schlechtesten Voraussetzungen mitbringen. Neben der generellen Berücksichtigung der Bedingungen von sogenannten ‚gefährdungsgeneigten‘ Kindern und Jugendlichen müssen diese auch im Hinblick auf Beteiligung eine besondere Beachtung erfahren. Mit dieser letzten Ausgabe der merz | medien+erziehung im Jahr 2021 möchten wir uns der Herausforderung widmen, Teilhabe im Kontext des KuJMS zu fördern, und diesbezüglich Chancen und Potenziale sichtbar machen sowie Herausforderungen diskutieren. Die ‚evolving capacities‘ von Kindern und Jugendlichen sind ein wesentlicher Bezugspunkt für Teilhabe, Schutz und Befähigung und stehen im Beitrag von Klaudia Kramer und Sandra Gabler zu den entwicklungspsychologischen Grundlagen im Fokus. Claudia Mikat widmet sich den Spannungsfeldern im Ku- JMS. Schlaglichtartig beleuchtet sie Möglichkeiten, den Auftrag von Selbstkontrolleinrichtungen, Angebote hinsichtlich ihrer möglichen Entwicklungsbeeinträchtigung zu prüfen, mit dem Anspruch Kinder und Jugendliche zu beteiligen zu vereinbaren. Die Teilhabe von Heranwachsenden an der Aktualisierung und Weiterentwicklung des KuJMS reflektieren Niels Brüggen und Christa Gebel und differenzieren dabei unterschiedliche Bereiche der Teilhabe. Cornelia Jonas und Torsten Krause richten den Blick darauf wie in Familien eine beteiligungsorientierte Medienerziehung im kinderrechtlichen Sinne aussehen könnte.

Die Kinder- und Jugendhilfestrukturen und wie Teilhabe im Zusammenhang mit Ku-JMS dort realisiert werden, stellt Uli Tondorf vor. Im Ausblick skizziert er dabei, welche Rolle Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe zukünftig im KuJMS einnehmen könnten. Jutta Croll und Stephan Dreyer setzen sich in ihrem Beitrag mit den Potenzialen des Einsatzes von KI-Technologien für den Schutz von Kindern und Jugendlichen auseinander. Während KI bereits seit längerem für den Schutz vor potenziell gefährdenden Inhalten genutzt wird, sind weitere Möglichkeiten, die beispielsweise auch die soziale und emotionale Entwicklung von Kindern berücksichtigen zwar technisch möglich, aber juristisch schwierig. Abschließend geben Pia Dippel, Dominik Rankl und Achim Lebert Einblicke in den KuJMS in der pädagogischen Praxis. Dabei wird deutlich, dass der Schutzauftrag in Kindertageseinrichtungen, Schulen und Einrichtungen der Jugendarbeit wahr- und ernstgenommen wird. Die konkrete Umsetzung eines auf den Kinderrechten basierenden Zusammenspiels von Schutz, Befähigung und Teilhabe kollidiert aber in der Praxis oft mit anderen strukturellen, juristischen und technologischen Hindernissen.

Ergänzend zu den hier dargestellten Beiträgen, freuen wir uns auf einen weiteren Diskurs zum Thema auch in unserem Podcast mehr merz. Der Ansatz ‚Kinder- und Jugendmedienschutz mitmachen‘ hat viel Potenzial, aber es fehlt noch an vielen Stellen an entsprechender Erfahrung und an den nötigen Rahmenbedingungen, um neue Konzepte zu erproben. Hilfreich ist dafür eine breite gesellschaftliche Auseinandersetzung damit. Wir hoffen, mit dieser Ausgabe dazu beizutragen und freuen uns über weitere Anregungen.

Kathrin Demmler ist Direktorin des JFF – Institut für Medienpädagogik und gemeinsam mit Prof. Dr. Bernd Schorb Herausgeberin von merz | medien + erziehung. Ihre Schwerpunkte sind Medien in Bezug auf die Förderung eines Wertebewusstseins, verschiedene Bildungsorte, Veranstaltungen und Netzwerke.

Dr. Niels Brüggen ist Leiter der Abteilung Forschung am JFF – Institut für Medienpädagogik. Seine Schwerpunkte sind medienpädagogische Evaluationsforschung, Medienaneignungsforschung, Mediatisierung von Jugendarbeit, Partizipation mit Medien, Ästhetik und medienpädagogische Ansätze.