Gewalt in den Medien, Gewalt in der Realität. Gesellschaftliche Zusammenhänge und pädagogisches Handeln

von: Helga Theunert

kopaed, 2000

ISBN: 9783929061185 , 261 Seiten

3. Auflage

Format: PDF, OL

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Preis: 16,99 EUR

Mehr zum Inhalt

Gewalt in den Medien, Gewalt in der Realität. Gesellschaftliche Zusammenhänge und pädagogisches Handeln


 

Kapitel 2
Zur Entwicklung und Begründung eines umfassenden Gewaltverständnisses
(S. 59-60)

Die Diskussion der Ansätze und Ergebnisse der Gewaltwirkungsforschung hat auf die Notwendigkeit einer umfassenden Neubestimmung des Gewaltbegriffes verwiesen. Eine solche Neubestimmung muß nach den formulierten Kriterien (vgl. 1.3) die vielfältigen und qualitativ unterschiedlichen Erscheinungsformen von Gewalt in den Medien und in der Realität berücksichtigen, ihre Quellen und Ursachen thematisieren, sie in ihrem gesellschaftlichen Kontext betrachten und sie in pädagogischen Zusammenhängen der Analyse zugänglich machen. In diesem Sinne wurde im Projekt MOPÄD der Gewaltbegriff neu bestimmt.

Orientierungen für diese Neubestimmung bot vor allem der Ansatz von Galtung (1971), der eine systematische Differenzierung von personalen Gewaltverhältnissen beinhaltet und mit der Kategorie der strukturellen Gewalt auf gesellschaftliche Gewaltverhältnisse verweist, die nicht primär in personaler Verschuldung und Verantwortung liegen. Orientierungen boten weiterhin Ansätze psychoanalytisch ausgerichteter Aggressionstheorien, die in der Folge von Marcuse (1968) und Mitscherlich (1969) die gesellschaftlichen Bedingungen individuellen Gewalthandelns thematisieren, und damit die deterministische Sichtweise früherer Aggressionstheorien überwinden (z.B. Horn 1974, 1978; Volmerg 1977a,b). Anhaltspunkte boten schließlich eher philosophische und politologische Auseinandersetzungen mit Gewalt, die die historisch-gesellschaftlichen Konstitutionsbedingungen und Zusammenhänge thematisieren (z.B. Narr 1974, 1980; Rammstedt 1974, 1978; Saner 1978).

2.1 Die Definition von Gewalt und ihre zentralen Bestimmungen

Gewalt ist in dem hier zu diskutierendem Ansatz definiert als „die Manifestation von Macht und/oder Herrschaft, mit der Folge und/oder dem Ziel der Schädigung von einzelnen oder Gruppen von Menschen." (Schorb, Theunert 1982, S. 323 ) Nach dieser Definition liegt Gewalt immer dann vor, wenn als Folge der Ausübung von Macht oder von Herrschaft oder von beidem, oder als Folge der Existenz von Macht- und Herrschaftsverhältnissen Menschen geschädigt werden.

Ein erstes Bestimmungskriterium für Gewalt ist hiernach die bei dem oder den Betroffenen feststellbare Folge, die durch Gewalt bewirkte Schädigung. Diese ist prinzipiell - jedoch nicht zwangsläufig - von den Betroffenen als subjektives ‘Leiden’ erfahrbar. Das Ziel der Gewaltausübung tritt gegenüber der Folge in den Hintergrund, es ist sekundäres Bestimmungskriterium: Auch wenn kein Ziel erkennbar ist, aber eine Folge sichtbar, liegt Gewalt vor. Ziele und Absichten geben Aufschluß über mögliche Gründe für Gewalt, sie sind jedoch keine notwendigen Voraussetzungen für ihr Vorhandensein. Damit wird die in klassischen Theorien zentrale Kategorie der ‘Intention’, die das Augenmerk primär auf den ‘Täter’ lenkt, relativiert. Der Blick ist auf das ‘Opfer’ von Gewalt gerichtet. Die bei ihm bewirkten Schädigungen treten sichtbar zutage und sind damit der Beobachtung zugänglich. Über die Folgen wird mithin die Wahrnehmung und Analyse unterschiedlicher Erscheinungsformen von Gewalt und ihrer Hintergründe möglich (vgl. ausführlich 2.3).